Beim Fotografieren stehe ich oft vor der Entscheidung, ob ich Bereiche eines Bildes überbelichte oder andere Bereiche auf dem Bild gar nicht sehe. Gerade bei Lost Places ist das immer eine Herausforderung, weil doch hier der einzelne kleine Lichtstrahl oft erst das Besondere ausmacht. Hier hilft die HDR-Fotografie weiter und auch das mache ich mit Open Source Werkzeugen unter Linux.
Das obige Bild habe ich in einem Lost Place bei Passau aufgenommen. Aus einem alten Bauernhaus heraus habe ich bei strahlendem Sonnenschein aus dem Fenster heraus fotografiert. Schon meine Augen waren nicht dazu in der Lage, gleichzeitig das Innere des dunklen Hauses und die helle Umgebung draußen zu erfassen – die Kamera kann das also gleich gar nicht.
Das mit (1) markierte Bild oben ist der beste Kompromiss, den ich der Kamera entlocken konnte. Die (2) zeigt ein viel zu dunkles Bild, das jedoch das Äußere korrekt belichtet. Und ein korrekt belichtetes Inneres des Hauses gibt die Nummer (3) wieder. Das ist eine Belichtungsreihe, in der der Lichtwert (exposure value, EV, [1]) um jeweils zwei Blendenstufen nach oben und unten abweicht. Eigentlich sollten alle Kameras heute in der Lage sein, solche Belichtungsreihen mit drei, fünf oder mehr Bildern aufzunehmen.
Jedes einzelne Bild einer Belichtungsreihe ist ein LDR-Bild (low dynamic range). Viele LDR-Bilder desselben Motives ergeben dann das HDR, welches die maximalen Bildinformationen je Bildpunkt enthält. Diverse Algorithmen berechnen aus dem HDR-Bild letztendlich wieder LDR-Bilder, welche dann viel mehr zeigen als jedes einzelne Bild der Belichtungsreihe. Für das Resultat überlagere ich meist die Resultate mehrerer Algorithmen übereinander. Aber dazu später mehr …
Für die Erstellung eines HDR-Bildes ist das Fotografieren im RAW-Format Pflicht. Es ist notwendig, das Bild selbst korrekt zu bearbeiten. Wie RAW-Aufnahmen entwickelt werden können, habe ich bereits beschrieben. Wichtige Grundregeln sind:
Gerade der letzte Punkt erzeugt sehr große Bilder. Aber wenn eine Farbtiefe von 16-bit irgendwo Sinn ergibt, dann hier. Und eine verlustfreie Komprimierung ist notwendig, um hinterher keine zusätzlichen Artefakte zu erhalten.
Wie immer gibt es natürlich auch hier mehrere Programme, die HDRs erstellen können. Das beginnt bei viel Handarbeit mit Gimp [2] und reicht bis zum alles automatisch abwickelnden Photomatix [3]. Für mich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen, und zwar bei Luminance HDR [4]. Von allen Lösungen die ich probiert habe bringt Luminance die beste Leistung und spart mir viel Zeit durch eine einfache Stapelverarbeitung.
Dem Luminance HDR füttert man zunächst alle LDRs einer Belichtungsreihe. Hierbei gibt es zwei Optionen:
Nach dem Klick auf ‚Starten‘ empfiehlt sich der Gang zur Kaffeemaschine oder zum Kühlschrank – das dauert eine Weile ;-). Im Anschluss stellt sich Luminance wie im obigen Screenshot zu sehen dar. Rechts sind sehr kleine Vorschaubilder von den elf verschiedenen Algorithmen zu sehen, die für die Rückberechnung in ein LDR mitgebracht werden. Links können diverse Parameter je Algorithmus eingestellt werden und in der Mitte ist das Resultat zu sehen. Typischerweise erstelle ich LDR-Bilder nach folgenden Algorithmen:
Im Menü ‚Extras‘ verbergen sich die Funktionen ‚Batch HDR‘ und ‚Stapel-Dynamikkompression‘. Über diese können viele Bilder auf einmal bearbeitet werden. Das macht die Kaffeepausen länger, spart aber Mausklickzeit ;-). Um Algorithmen in der ‚Stapel-Dynamikkompression‘ aufrufen zu können, müssen diese nach obigen Vorbild einmal aufgerufen und über das dritte Icon von Links unter ‚Dynamikkompressionsvorgaben‘ gespeichert werden.
Manchmal liefern Drago oder Fattal direkt nutzbare Resultate. Das ist jedoch nur sehr selten der Fall und eigentlich immer ist das Ergebnis deutlich besser, wenn man mehrere LDRs überlagert. Hierzu nutze ich das altbekannte Gimp. Über Datei -> Als Ebenen öffnen können alle erstellten LDRs als Ebenen eines Gimp-Bildes geladen werden. Ich sortiere dann das kontrastreiche Mantiuk ’06 – Bild nach ganz unten und blende Pattanaik und Ashikikhmin erstmal aus. Ein schönes Resultat entsteht dann, wenn ich Drago und Fattal mit einer Transparenz von 10% bis 60% anzeige und am Ende gegebenenfalls noch bis zu 10% Pattanaik hinzufüge.
Hier kann man endlos spielen und optimieren – habe ich selbst schon probiert ;-). Wenn das Resultat Artefakte oder starkes Rauschen in Teilbereichen aufzeigt, dann ist meist die RAW-Entwicklung schuld. Je weniger man hier am Bild schraubt, desto besser wird das HDR. Das meint aber auch, dass alle Standardoptimierungen von RawTherapee gefunden und entfernt werden sollten. An den Parametern in Luminance ändere ich eigentlich nie was. Das gänge aber auch. Und letztendlich bleiben noch die endlos vielen Überlagerungsmöglichkeiten in Gimp. HDRs sind also ein höchst zeitfressendes Hobby. Die Resultate machen das aber meist wieder wett!
Inspiriert zu diesem Artikel hat mich der Blog bitblokes.de, in dem ein Jürgen seinen HDR-Workflow beschreibt: https://www.bitblokes.de/hdr-workflow-high-dynamic-range-foto-mit-open-source-programmen-realisieren-luminance-hdr-und-gimp/.
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Lichtwert
[2] https://www.saxoprint.de/blog/tutorial-hdr-bilder-mit-gimp-erstellen/
[3] https://www.hdrsoft.com/download/photomatix-linux.html
[4] http://qtpfsgui.sourceforge.net/